Wien: Zentralfriedhof und St. Marxer Friedhof
Alexandra Freund-Gobs • 11. Juni 2023
Zwei unterschiedliche Friedhöfe, deren Besuch sich lohnt.
Wer an Wien denkt, denkt unweigerlich an den Zentralfriedhof im elften Gemeindebezirk Simmering, an Wolfgang Ambros‘ morbid angehauchten Liedtext über das Leben auf dem Wiener Zentralfriedhof und vielleicht auch an das Grab von Johann (Hans) Hölzel alias FALCO. Laut der offiziellen Website der Stadt Wien gibt es in Wien 55 Friedhöfe, 46 davon sind städtisch. Bei meinem ersten Besuch in Wien mit der ganzen Familie steht auch der Besuch des Zentralfriedhofs auf dem Plan. Die Anfahrt mit den Öffis aus der Innenstadt braucht ein bisschen Zeit. Es ist August und heiß. Das Friedhofsareal umfasst mehr als zwei Quadratkilometer, man muss also gut zu Fuß sein und möglichst gut behütet, den die Wege und Plätze sind oftmals so groß, dass die Bäume nicht alles beschatten können. Dass der Friedhof sich in einiger Entfernung zur Innenstadt befindet, hat seinen Grund. Die fünf Kommunalfriedhöfe waren zu klein geworden, deshalb beschloss der Gemeinderat in den mittleren 1860iger Jahren, einen Zentralfriedhof anzulegen. 1874 am 1. November wurde die Anlage offiziell eröffnet. Bezüglich der Wahl des Terrains herrschte unter den Entscheidern wohl nicht unbedingt Einigkeit.
Den Zentralfriedhof nur einmal zu besuchen und dabei alles zu erfassen, geht sich nicht aus, wie der Wiener zu sagen pflegt. Man wird mit dem Besichtigen nicht fertig. Er ist vielmehr ein Ort, an den man, solange man lebt, immer wieder zurückkehren kann, ohne dass es einem langweilig wird. Als erstes steht für mich und meine Familie der Kapellenhof mit der 1910 gebauten Kuppelkirche Zum Heiligen Karl Borromäus an. Bis 2000 nannte man die Kirche Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche, der Bürgermeister war kurz vor der Eröffnung der Kirche gestorben. Erbaut wurde die Kirche nach Entwürfen von Max Hegele. Läuft man in die Kirche hinein, muss man einfach den Kopf ganz weit in den Nacken strecken, um den ersten Wow-Effekt zu erzielen. Der mittlere Ring der Kuppel ist in einem klaren blau ausgekleidet, die Kuppel steckt voller liebevoller Detailarbeiten im Jugendstil.
FALCO, Supermax und wo ist Mozart?
Eine Attraktion des Friedhofs ist die Ehrengräberanlage, sie war eine Maßnahme, um die Besucherzahlen zu erhöhen, da ursprünglich die Anreise zu der von der Innenstadt doch recht weit entfernten Anlage vielen schlichtweg zu weit war. In die Ehrengräberanlage wurden die sterblichen Überreste einer Reihe prominenter Persönlichkeiten von anderen Wiener Friedhöfen verlegt, so zum Beispiel Ludwig van Beethoven. In etwa 300 Metern Entfernung findet man in der Gruppe 40 auf dem Ehrenhain das Grab von FALCO. Es wird immer noch rege besucht und man findet Kerzen, Briefe und weitere Utensilien, die Fans hier noch heute niederlegen. Läuft man um das Grab von FALCO herum, steht man vor dem Grab von Kurt Hauenstein. Der Musiker, Poet und Songwriter war bekannt unter dem Namen Supermax. Ein Hit der Pop-Ikone war „Lovemachine“. Heute ist der Song nicht (mehr) jedem geläufig. FALCO und Supermax liegen hier Kopf an Kopf, im Leben waren sie Freunde. Ebenso auf dem Zentralfriedhof steht in der Gruppe 32 A ein großes Grabdenkmal des Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart. Mozart wurde nicht hier begraben. Er wurde bestattet auf dem St. Marxer Friedhof.
Ein anderes Jahr, wieder ein Besuch in Wien. Es ist April und ich nehme mir bei angenehmen 18 ˚˚ Celsius und Sonne einen Besuch des St. Marxer Friedhofs vor. Der Friedhof liegt im dritten Gemeindebezirk Landstraße. Er ist einer der fünf von Joseph dem II begründeten Kommunalfriedhöfe (die Vorläufer des Zentralfriedhofs) und der Einzige, der noch erhalten ist. Die Anreise von meinem Domizil ist nicht weit. Das Problem ist eher, den Friedhof zu finden. Er liegt mitten in einem Geflecht aus großen Straßen, ich muss mich erst durchfragen. Der Standort des Friedhofs ist anhand der auch aus der Ferne sichtbaren hohen, belaubten Bäumen auszumachen. Aber der Weg dorthin ist aufgrund des Straßengeflechts nicht einfach erkennbar. So laufe ich mehrfach in die falsche Richtung. Schließlich bewege ich mich mit Navi bewaffnet auf dem Gehweg unter einer riesigen Straße hindurch, die Brückenpfeiler sind geziert mit Graffiti. Linkerhand befindet sich dann endlich ein im Vergleich zum Zentralfriedhof unscheinbares Backsteintor mit angrenzender Backsteinfriedhofsmauer.
Ein Friedhof, der mich ganz besonders berührt: St. Marxer Friedhof
Gleich vorweg: Der St. Marxer Friedhof hat auf mich auf ganz besondere Wirkung. Von der Größe her ist er selbstverständlich nicht zu vergleichen mit dem Zentralfriedhof, aber die Stimmung, um die Wortwahl von Wolfgang Ambros aufzugreifen, fängt mich hier auf eigentümliche Weise ein. Bestattungen wurden hier zwischen 1784 und 1874 durchgeführt. Dann schlummerte der Friedhof erst mal einen Dornröschenschlaf. Derweil konnte er den Charakter eines Biedermeierfriedhofs bewahren und die ursprüngliche Gestalt blieb erhalten. Er wurde 1936/1937 instandgesetzt und im Oktober 1937 als eine Verbindung von Friedhof und Parkanlage geöffnet. Nach Beschuss im Zweiten Weltkrieg wurde er unter der Leitung des Wieners Hans Pemmer wiederhergestellt (Wiedereröffnung 21. Oktober 1945). Heute befindet sich in direkter Nähe die sogenannte Süd-Ost-Tangente. Das laute Gebrumme von PKWs und LKWs ist unüberhörbar. Trotzdem oder gerade, weil der Friedhof sich durch die urbane Hektik nicht verdrängen und aus der Ruhe bringe lässt, kann man hier wunderbar Ruhe tanken, auf einer der Parkbänke am Hauptweg oder in den vielen Seitenwegen, zwischen Ordnung und Unkraut, Rosen und kräftigem Baumbewuchs. Am Ende angelangt, schaut man über die Mauer auf eine Anlage von Wien Energie. Das passt. Dort die Infrastruktur, um das tobende Leben einer Großstadt in Gang zu halten, hier die Gräber, die Ruhe, das Unkraut, welches sich an manchen Grabsteinen ungehindert emporrankt. Und zum guten Schluss: Mozart.
Hier ruht Mozart
Fast wie in seinem Leben, hat auch die letzte Ruhestätte von Mozart etwas Revolutionäres. Denn Mozarts Leichnam wurde „nach der Einsegnung bei St. Stephan...in den Abendstunden des 6. Dezember 1791 auf den vor der Stadt liegenden St. Marxer Friedhof überführt. Die Beerdigung erfolgte entweder noch in den Nachtstunden oder, wahrscheinlicher, erst am Vormittag des nächsten Tages in einem ‚allgemeinen einfachen Grab‘…die mutmaßliche Begräbnisstätte wurde 1859 durch ein Grabdenkmal von Hans Gasser markiert (enthüllt 6. Dezember 1859), das 1891 auf den Zentralfriedhof (Ehrengräberhein Gr. 32 A) transferiert wurde. Erst 1899 wurde aus Grabsteinspolien in St. Marx ein schlichtes Grabdenkmal errichtet, das bald darauf um die signifikante geborstene Säule bereichert wurde…“ (https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Mozart-Grab)
Ich freue mich, dass Mozart hiergeblieben ist. Es passt zu seiner Biografie, zu seinem Geist, der bereits zu seinen Lebzeiten gegen Konventionen aufbegehrt hat. Und eins ist sicher, ich besuche ihn wieder.
Stuttgart-Wien-und-mehr

Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var









