Praterleben und Ice, Ice Baby

Alexandra Freund-Gobs • 16. Juni 2024

Wohnen mitten im Prater?

Zwei Wochen Wien und meine Bleibe befindet sich quasi – mitten im Prater. Bei der Ankunft setze ich mich auf das Bett, der Koffer steht unausgepackt neben mir. Gefühlt befindet sich die nächste Achterbahn über meinem Kopf, in der Realität ist sie rund 15 Meter entfernt. Für alle, die gerade in der Achterbahn sitzen, geht der Spaß los: Rattattattatta beim langsamen Hochfahren, ein lautstarkes Huhhhhh Windgeräusch am Kipp-Punkt und dann das einsetzende lautstarke Kreischen aller, die in der Achterbahn sitzen Uaaaaahhhhhhh. Ich lausche der Sequenz einmal, zweimal, dreimal und beginne auszurechnen: Der Prater öffnet je nach Wetter um die Mittagszeit und endet je nach Wetter so zwischen Mitternacht und 2 Uhr morgens. Ich bin zwei Wochen in dem Appartement: DAS.HALTE.ICH.NICHT.AUS.
Also ab zum Hotel-Appartement-Team-Chef-Des-Tages. Was ich dem Haus hochanrechne: Ich darf auf die andere Gebäudeseite umziehen und dort ein kleineres Appartement beziehen, dafür aber mit Balkon und gedämpften Pratergeräuschen. Aber: Der Umzug kann erst am Folgetag stattfinden, „der Wien-Marathon, Sie wissen schon, alles ist voll belegt.“ Also gehe ich erst mal im zweiten Bezirk was essen, in meinem Lieblingsbezirk ist das kein Problem, man findet immer irgendwo irgendwas Gutes. Danach schmeiße ich mich in den Pyjama und mach mich bettfertig. Inzwischen habe ich das Zählen aufgehört: Rattattattatta, Huhhhhh, Uaaaaahhhhhhh. Da ploppt ganz leise ein Bling auf meinem Handy auf. „Komm doch auf unsere WG- Cocktail-Tour. Gerade sind wir in einer Wohnung im zweiten Bezirk.“ Auch wenn ich mich riesig über die Nachricht meines Sohnes freue, tippe ich schon „Bin schon im Pyjama…“. In dem Moment ertönt wieder das Rattattattatta, Huhhhhh, Uaaaaahhhhhhh. Ich lösche den Text und schreibe: „Ich komme.“ 

Cocktailparty in der Studenten-WG

20 Minuten später befinde ich mich in einer schick hergerichteten Altbauwohnung Nähe Mexikoplatz, stehe in der Küche mit fünf Student*innen und trinke irgendwas hochprozentig Gemixtes. 40 Minuten später kommen wir auf das Thema Eis. Ein guter Freund meines Sohnes erzählt mir, dass er meinen Wien-Blog zwar gerne liest (Dankeschön!) aber mit meiner Wahl für das beste Eis in Wien absolut unzufrieden ist. Ob ich schon bei Carlo gewesen sei? Ja, war ich, aber ehrlicherweise quasi nur einmal so nebenbei und ohne gebührende Aufmerksamkeit. Ich verspreche, dass bei nächster Gelegenheit nachzuholen und auch, darüber im Blog zu berichten. Das mache ich heute, Max!
Die Party war übrigens mein Abendretter – ich habe mich in der Runde pudelwohl gefühlt, den einen oder anderen Cocktail, eine herzliche Runde und inspirierende Gespräche sehr genossen. Dafür, dass ich dazu so spontan eingeladen wurde, ein fettes Dankeschön. Als die Gruppe weiterzieht zur nächsten WG, mache ich mich auf den Weg in meine Bude, inzwischen ist es 2 Uhr und ich schlafe wie ein Baby und träume von Eis…

Gelato Carlo in Wien – ein Eis zum Niederknien 

Die Gelegenheit zum Eistest bei Carlo nehme ich gleich am nächsten Tag wahr. Es regnet, es ist Montag, die meisten Museen sind zu. Was gibt es da Besseres, als in aller Ruhe ein Eis-Tasting vorzunehmen. (Am Rande bemerkt: Die Idee war goldrichtig, ich war noch einige Male bei Carlo während dieses Wien-Aufenthalts), jedes Mal bei Sonnenschein und die Eisdiele war brechend voll, die Schlange rund 10 Meter lang. 
Gelato Carlo befindet sich am Hamerlingplatz 2 im achten Bezirk und hat täglich geöffnet von 12 bis 22 Uhr. Man erreicht den Hamerlingplatz einfach mit der Straßenbahn 2 in Richtung Dornbach und fährt bis zur Albertgasse. Von dort aus nach rechts laufen in Richtung Hamerlingpark. Gelato Carlo befindet sich gegenüber: https://gelatocarlo.com/
Die Eissorten von Carlo lesen sich wie ein Menü feinster Kräuter und Früchte. Man weiß gar nicht, wo anfangen. Je nach Verfügbarkeit der Zutaten werden die Sorten kreiert und zusammengestellt, das macht es so besonders. Das Eis schmeckt supercremig, manche Sorten haben eine ganz leicht salzige Note, die den Geschmack nochmals hervorhebt, aber so ausgewogen, dass es dem Gaumenerlebnis zum Vorteil gereicht. Es ist Verführung der feinsten Art und macht definitiv süchtig. Ein Satz noch zu dem Thema Stanitzel (oder deutsch Hörnchen), die sind bei Carlo mit Olivenöl gebacken, man muss sie auf jeden Fall probieren. Im Geschäft hängt ein Pressetext eingerahmt und während ich eine Riesenportion verdrücke, lese ich den Text in aller Ruhe. Wie gesagt, bei regnerischen 13 C˚ verirren sich nicht ganz so viele Kund*innen in die Eisdiele. Carlo ist Quereinsteiger, war einmal Designer und Produzent von Werbemitteln. Aber er ist, so schreibt Severin Corti in dem ausgehängten Text „ein Besessener, der bei der Güte der Zutaten und Maschinen (Cattabriga) extreme Wege geht…“ Das sagt eigentlich schon alles aus. 

Klugscheißer-Wissen über Eis

Bevor es nun für jede*n, der sich im Augenblick des Blog-Lesens in Wien befindet ab zu Carlo gehen kann (Neid!), hier noch zum Schluss ein paar Wissensfetzen in Klugscheißer-Manier:  Das erste Speiseeis gab es in China rund 3000 Jahre vor unserer Zeit. Die Speiseeis Erfinder sind somit entgegen der weit verbreiteten Meinung nicht die Italiener. Die erste moderne Eismaschine mit Kurbelantrieb kam 1872 auf den Markt. Im 20. Jahrhundert folgte das elektrisch betriebene Pendant. Diese Informationen stammen vom Alimentarium, einem Schweizer Museum, welches Essen und Ernährung der Welt erforscht (www.alimentarioum.org) und von Eisengelchen in Berlin (eis-engelchen.de).


Stuttgart-Wien-und-mehr

von Alexandra Freund-Gobs 16. November 2025
Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var
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