Im Hauptstaatsarchiv Stuttgart: Herzog Ulrich und die Bauern im Krieg von 1525

Alexandra Freund-Gobs • 16. März 2025

Eine wertvolle Ausstellung, ohne Glanz und Gloria

Wer bis 25. April 2025 die Gelegenheit nutzt, zu den Öffnungszeiten ins Hauptstaatsarchiv Stuttgart in der Konrad-Adenauer-Straße 4 zu gehen, wird reichlich belohnt. Dort wartet eine kleine, aber sehr feine Ausstellung über einen wesentlichen Aspekt des Bauernkriegs im Jahr 1525.

Wie so oft stolpere ich in diese Ausstellung eher zufällig. Das Wetter ist mies, der Tag regnerisch. Die Ausstellung ploppt auf der Website der Stuttgart-Tourist auf, als ich nach einem Schlechtwetterprogramm suche. Unter https://www.stuttgart-tourist.de/ findet man zuverlässig einen Überblick über tagesaktuelle Highlights in der Landeshauptstadt. 
Das Jahr 2025 gilt als Gedenkjahr für den Bauernkrieg 1525. Zahlreiche Veranstaltungen an vielen Orten in Baden-Württemberg und darüber hinaus ermöglichen 500 Jahre nach dem Ereignis, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Im Hauptstaatsarchiv lerne ich Spannendes über den Bauernkrieg 

So lande ich im Hauptstaatsarchiv. Aus der Innenstadt kommend befindet sich dieses linkerhand vom klassizistischen Wilhelmspalais. Der zwischen 1963 und 1969 erstellte und unter Denkmalschutz stehende Archivzweckbau wirkt neben dem Wilhelmspalais ausgesprochen nüchtern. Der Eindruck bleibt bei mir auch erhalten, als ich in das Gebäudeinnere trete. „Hier geht es also nicht primär um Show“, ist mein erster Gedanke. Im Vorraum stehen Panels mit Plakaten und zwei Tische mit Touchscreens, alles zum Thema „Herzog Ulrich und die Bauern im Krieg von 1525“. In einem separaten Raum befinden sich zahlreiche Exponate, Schriften und Erläuterungen. Wo jetzt anfangen? 
Ich habe riesiges Glück, denn just gerade führt ein Mitarbeiter des Hauses (leider habe ich ihn nicht nach seinem Namen gefragt) eine Minigruppe, bestehend aus einem Studenten und zwei Studentinnen, durch die Ausstellung. Er gibt mir grünes Licht, mich dazuzugesellen. 

Herzog Ulrich versus Jerg Ratgeb 

Die Ausstellung spannt einen Bogen rund um die schillernde Persönlichkeit Herzog Ulrichs von Württemberg (1487–1550), der Rolle Württembergs und Stuttgarts bis hin zur außergewöhnlichen Konstellation von Herzog Ulrich und den aufständischen Bauern. Der Herzog, zuvor aus seinem Land vertrieben, verbündete sich mit den Bauern, um seine Herrschaft zurückzugewinnen. Die Allianz scheiterte jedoch auf dramatische Weise. Die Ausstellung beleuchtet die Hintergründe und Auswirkungen des historischen Ereignisses mit besonderem Blick auf die Region Schwaben. Ebenso in Blick genommen wird auch die Rolle des Malers Jerg Ratgeb als Bauernkanzler. Ratgeb muss für seine Rolle schlussendlich mit dem Leben bezahlen. Herzog Ulrich kehrt 1534 nach Württemberg zurück und übernimmt wieder die Herrschaft. Kurator der Ausstellung ist Dr. Erwin Frauenknecht.

Doch was genau passierte um Herzog Ulrich? 

„Herzog Ulrich von Württemberg war 1519 vom Schwäbischen Bund aus Land und Herrschaft vertrieben worden. Seither regierte das habsburgische Kaiserhaus das Land, ab 1522 Erzherzog Ferdinand, der Bruder des Kaisers. Man stützte sich dabei auf die altgläubigen Eliten, die "Ehrbarkeit" in den Städten und die Geistlichkeit und Prälaten der großen Klöster. Doch die neuen Ideen und Glaubenssätze von Freiheit und Wahrheit, die mit den Lehren Martin Luthers vor allem über die benachbarten Reichsstädte auch in Württemberg verbreitet wurden, fanden besonders beim einfachen Volk viele Anhänger. Weit über Württemberg hinaus schlossen sich im Frühjahr 1525 Bauernhaufen zusammen, um gegen die Obrigkeit und die Geistlichkeit vorzugehen. Mit ihrem Programm der „12 Artikel“ forderten die Aufständischen in Schwaben ihr "göttliches Recht" auf Freiheit von obrigkeitlichen Lasten und evangelische Wahrheit ein. Martin Luther freilich lehnte seine Unterstützung des gewaltsamen Aufruhrs ab und nahm in berühmten Schriften gerade auch gegen die schwäbischen Bauern deutlich Stellung.
Herzog Ulrich, der den Bauernaufstand zur Rückeroberung seiner Herrschaft nutzen wollte, scheiterte gemeinsam mit den Aufständischen, die in mehreren Schlachten von den Truppen des Schwäbischen Bundes geschlagen wurden. Zahllose Beteiligte mussten der österreichischen Herrschaft nun Urfehde schwören und sich von der "lutherischen Sekte" distanzieren.“ ( Zitiert aus: https://www.landesarchiv-bw.de/de/themen/praesentationen---themenzugaenge/62158 )

Ein Blick durchs Schlüsselloch

Dank der Führung, an der ich zufällig teilnehmen darf, lerne ich noch mehr. Denn nicht umsonst wurde diese Ausstellung im Hauptstaatsarchiv kuratiert. Es geht hier offensichtlich nicht darum, Geschichte durch Show lebendig zu machen. Ausgestellt sind Großteils Originaldokumente. Mitthilfe dieser kann man sich auf eine Zeitreise begeben. Das Bild kann aber nie vollständig werden. Es bleibt bei einem Blick durchs Schlüsselloch, man kann Ausschnitte erfassen und sich andere Teile dazu denken. Das macht die Führung deutlich. Vieles bleibt Vermutung. Und genau für diesen Hinweis bin ich dankbar. In Zeiten, in denen wir zum Beispiel aufgrund von Social Media und KI dazu angehalten sind, neu zu lernen, was Fiktion von Wirklichkeit trennt, ist das wohltuend.

Chiffrierte Informationen als Schutz vor Feinden

Umso mehr Freude macht es mir, mich mit den Themen zu beschäftigen, die bereits erforscht sind. So kann man beispielsweise im Vorraum an einem der Touchscreens die Chiffriermethode einer sehr brenzligen schriftlichen Depesche näher kennenlernen. Hintergrund ist, dass die Nachrichten schon damals chiffriert (hier waren es Nummernreihen) übermittelt worden waren, um Feinden, falls diesen die Schriften in die Hände fallen sollten, keine Informationen zu liefern. Auf dem Foto oben ist ein Ausschnitt eines Briefes zu sehen. Unterschrieben mit Cito Cito Cito ... (übersetzt aus dem lateinischen etwa schnell, rasch, geschwind). Auf dem weiteren Foto ist ein Ausstellungsexponat, ein Helm Herzog Ulrichs, um zu erschrecken.

Ein weiterer Touchscreen greift thematisch die kurze Belagerung Stuttgarts durch die Bauern auf. Hier kann man sich ein städtebauliches Bild Stuttgarts aus dieser Zeit machen. Das animiert zu einem anschließenden Spaziergang in Stuttgarts Süden.

Wen es nach diesem Blogartikel ins Hauptstaatsarchiv nach Stuttgart zieht, dem empfehle ich, eine Führung zu buchen oder an einer der mittwochs stattfindenden Führungen teilzunehmen.

Infos dazu: 

Stuttgart-Wien-und-mehr

von Alexandra Freund-Gobs 16. November 2025
Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var
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Auf diesen Text freue ich mich besonders: Es geht unerwartet um pure Lebensfreude, wenngleich es erst nach Stress aussieht, um spontane Entscheidungen und um Eis.
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