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Antwerpen – Selbstbewusstes Nebeneinander von Besonderheiten

Alexandra Freund-Gobs • Juni 05, 2023

Die Stadt bietet eine Vielzahl von Eindrücken

Mein Mann und ich hatten für drei Tage ein Appartement in Antwerpen gemietet. Hinter uns lag eine Reise, bei der wir quer durch Deutschland gereist waren und sowohl die nördlichste Stadt (Glücksburg) als auch die kleinste Stadt Deutschlands (Arnis an der Schlei) und noch einige weitere besondere Orte besichtigt hatten. 
Antwerpen hatten wir uns für das Finale aufgespart. Wir kamen über den Autobahnring, im Vorbeirasen sah ich Windräder neben Hochhäusern, ich erhaschte einen Blick auf das legendäre Havenhuis der Stararchitektin Zaha Hadid. Erwartet habe ich den Charme, den viele Städte offensichtlich versprühen, sobald man in sie eintaucht. Auf diesen Effekt wartete ich erst mal vergeblich. Ein Besuch von Antwerpen ist aber auf jeden Fall lohnend, vielleicht gerade weil die Stadt es einem nicht so einfach macht – das schon mal vorweg. Wer sich darauf einlässt, kann in Antwerpen eine unglaubliche Vielfalt an Entwürfen von Lebensmöglichkeiten wahrnehmen. 
Unser Appartement lag versteckt in einer schmalen Gasse, gesäumt von zwei größeren Verkehrsadern in die Innenstadt. Es lag recht zentral. Meine Devise, Städte zu erkunden, ist zu laufen. Zu Fuß sehe ich mehr, höre ich mehr, rieche ich mehr. 

Große Gemeinschaft orthodoxer Juden 
So machen wir uns auf den Weg in den historischen Stadtkern. An der ersten roten Ampel überholen uns zwei vielleicht sechs Jahre alte Jungs mit dem Fahrrad. Beide tragen kurz geschorene Haare, eine Kippa auf dem Haupt und lange Schläfenlocken. Ein unerwartetes Bild. In Antwerpen lebt unweit des Bahnhofs in direkter Nähe zum Diamantenviertel eine große Gemeinschaft orthodoxer Juden. Es soll die drittgrößte nach Jerusalem und New York sein (belgieninfo.net/2015) und die größte chassidische Gemeinde weltweit (juedisches-europa.net/2023). 

Bahnhof wie eine Filmkulisse
Wir besichtigen den Bahnhof Antwerpen-Centraal. Er ist beliebte Kulisse in vielen Spielfilmen. Die heutige Anlage stammt aus den Jahren 1899 und 1905. An der Stirnseite ist sie prächtig von außen anzusehen, an einer Seite säumt eine markante langgezogene Mauer das Gelände, sie taucht übrigens immer wieder auf in der 2023 entstandenen Netflix Serie „Rough Diamonds“. Betritt man die große Eingangshalle des Bahnhofs, muss man sich erst an die Pracht gewöhnen, die einen umgibt. Markant ist auch die Bahnhofsuhr, diese sieht man, wenn man von den Gleisen her in die Eingangshalle schreitet. 

Nüchternes Diamantenviertel 
Direkt neben dem Bahnhof befindet sich das Diamantenviertel. Eine Schaufensterauslage voller glitzernden Schmucks reiht sich hier an die nächste. Was dem Touristen verborgen bleibt, ist die Diamantenbörse und die Büroräume der Diamantenhändler. Diese Räumlichkeiten sind in einer Vielzahl von nüchternen, fast schäbig anmutenden mehrstöckigen Gebäuden untergebrach. Dass es hier um sehr viel Geld geht, lassen nur die zahlreichen Kameras vermuten, die die Häuserfassaden schmücken. 

Rubens und mehr in  der Liebfrauenkathedrale
In der Innenstadt überwältigt uns die weithin sichtbare Liebfrauenkathedrale mit dem 123 Meter hohen Turm, die Domkirche des Bistums Antwerpen. Sie ist tags geöffnet, kostet allerdings 12 Euro Eintritt. Das führt dazu, dass viele Touristen zwar einen kurzen Blick in das imposante Innere werfen, das Haus dann aber wieder verlassen. Die Liebfrauenkathedrale ist die einzige siebenschiffige gotische Kirche mit Querhaus und Umgangschor mit Radialkapellen. Das Bauwerk ist 117 m lang und innen 40 m hoch und wird von 125 Pfeilern getragen. Vier Gemälde von Peter Paul Rubens kann man darin auch bewundern. Wir finden, dass sich der Eintritt durchaus lohnt und aufgrund der überschaubaren Anzahl an Besuchenden können wir Architektur und Kunst ausgiebig genießen. 
Der Grote Markt in der historischen Altstadt ist gesäumt von wunderschönen Gebäuden, einst erbaut von den Zünften und Kaufleuten. Heute tobt hier das Leben und bei schönem Wetter kann man das Treiben in einem der vielen Restaurants und Cafés genießen oder das außergewöhnliche belgische Bier testen. 

Schokolade von den Meistern
Eine Stippvisite machen wir im historischen Gebäude Paleis op de Meir bei Dominiques und Julius´ „The Chocolate Line“ - vom Gault Millau ausgezeichnet als „Best chocolatier of the year 2023“. Hier nutzen wir die Möglichkeit, das außergewöhnliche Verkaufskonzept in Augenschein zu nehmen und natürlich auch von den köstlichen Schokoladenkreationen etwas mitzunehmen. Hinter einer Glasscheibe kann man beim Herstellen der Leckereien zuschauen. In den Nachbarräumen liegen die Kreationen zum Verkauf aus. Der Knüller: Ein Lippenstift aus Schokolade. 

Ein Blick von oben auf die Stadt Antwerpen
Ganz klar auf dem Programm steht für uns ein Besuch des Maas Museum aan de Stroom am Hansestadtplatz 1. In Anbetracht unseres schmalen Zeitbudgets lassen wir die Exponate außen vor und fahren schnurstracks mit der Rolltreppe nach ganz oben. Von dort aus hat man einen umwerfenden Blick über Antwerpen in alle Himmelsrichtungen. Man kann aus der Vogelperspektive in aller Ruhe das Hafengelände, den Verlauf der Schelde und die Innenstadt mit ihren Türmen betrachten. Der Panoramaview war übrigens umsonst zu haben. 

Das Havenhuis lässt einen staunen
Ein letztes Highlight auf unserer Liste ist das 2016 fertiggestellte Havenhuis der Stararchitektin Zaha Hadid. Das Verwaltungsgebäude der Hafenbehörde gilt als architektonische Besonderheit und das ist es auch. Ein stromlinienförmiges Objekt schwebt über einer alten Feuerwehrkaserne. Mit der Tram 24 fährt man quasi direkt bis vor die Haustüre. Den Komplex haben wir staunend zu Fuß umrundet. Es lohnt sich, die Architektur in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Von jeder Perspektive aus wirkt das Gebäude anders. 

Was ist es nun, dass mir die Stadt etwas sperrig erscheinen lässt? Denn jedes Ereignis für sich, jede Attraktion, jedes Ziel, ist lohnend. Das Diamantenviertel ist ein abgeschlossenes Viertel für sich. Ebenso scheint es mit dem Modeviertel zu sein und auch mit dem Hafenviertel. Die Schelde beispielsweise ist kein Fluss, der sich lieblich durch die Stadt schlängelt. Auf mich wirkt es, als ob die Stadt aus einer Vielzahl von selbstbewussten Besonderheiten besteht, die aber jede für sich lebt. 

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