Arcimboldo und die Kopisten
Alexandra Freund-Gobs • 15. Juni 2025
Heute geht es um das Multitalent Arcimboldo, um Kopisten und um KI.
Bei meinem letzten Wienaufenthalt stand das Kunsthistorische Museum innerhalb von 24 Stunden gleich dreimal auf dem Plan, mit einer Jahreskarte lohnt sich das allemal und ich wollte unbedingt die Ausstellung ergründen: „Arcimboldo, Bassano und Bruegel – Die Zeiten der Natur “, zu sehen bis 29. Juni 2025.
3-mal in 24 Stunden in derselben Ausstellung
Die Kompositbilder von Guiseppe Arcimboldo (1526 – 1593) faszinieren mich schon lange. Für mich gilt der Renaissance-Künstler allein deshalb als revolutionär, weil er mit seinen Werken in einer Zeit Illusionen schuf, als das reale Vorstellungsvermögen noch relativ begrenzt war, indem er menschliche Köpfe aus einer Vielzahl von Gegenständen wie Obst, Gemüse, Blumen, Tieren und anderen Objekten zusammensetzte. (Heute würde man sagen, der hat beim Malen was geraucht, um auf diese Ideen zu kommen.) Das Ergebnis sind aber sehr präzise und detailreiche Darstellungen, die zahlreiche Überraschungseffekte breit halten.
Die vier Jahreszeiten gibt es in München und in Wien
Spannend finde ich auch, dass es beispielsweise zu seiner Reihe der Jahreszeiten mehrere Serien gibt - Arcimboldo hat sich sozusagen selbst kopiert. Eine Serie der vier Jahreszeiten ist seit 1598 in der Münchner Kunstkammer der Familie Wittelsbach nachgewiesen und man vermutet, dass diese noch vor 1562 und somit vor Arcimboldos Übersiedlung an den Hof nach Wien geschaffen wurde, wo er dann 1563 eine Serie der Jahreszeiten für Kaiser Ferdinand I bzw. nach dessen Tod für Kaiser Maximilian II erstellte, ergänzt um einen Zyklus der Elemente.
Während der Sonderausstellung in Wien kann man Werke der vier Jahreszeiten aus der München Zeit neben Werken der vier Jahreszeiten aus der Wiener Zeit und Bilder aus der Reihe der Elemente bewundern. Zudem gibt es ein Selbstbildnis von Arcimboldo mit dem Titel ´Die vier Jahreszeiten in einem Kopf` zu sehen (Foto im Blog), welches normalerweise in Washington hängt. Besonders hat es mir aber der Frühling angetan. Das Bild aus dem Wiener Zyklus hängt in Mailand und mich freut deshalb, hier nun die Münchner Version in Augenschein nehmen zu dürfen. Der Frühlingskopf besteht aus einer Vielzahl verschiedenster präzise gemalter Blumen und Blattwerk. Aus der Ferne betrachtet wirkt das Bild wie ein stattlich gekleideter, schöner junger Mann.
Kein Foto vom Frühling!
Nun hängen alle diese wundervollen Werke eng beieinander und es ist vorauszusehen, dass ein stetiger Besucheransturm ein ausführliches Betrachten schwer machen wird. Also gehe ich bereits an meinem ersten Wienabend kurz vor Schließung in die Ausstellung und vertiefe mich in die detailreiche Bildgestaltung der Werke Arcimboldos. Irgendwann kann ich nicht anders und zücke das Handy, um ein Foto vom Frühling zu machen. Das wird mir gleich höflichst untersagt mit den Worten „gerne von den Wiener Exponaten, bei den Münchner Bildern ist Fotografieren nicht erlaubt“.
Nun ja, ich halte mich selbstverständlich an die Regel, keine Kopie in Form eines Fotos zu erstellen. Als ich viel später wieder zuhause bin, entdecke ich allerdings auf der weltbekannten Shopping-Plattform mit dem Anfangsbuchstaben A in rauen Mengen T-Shirts von Arcimboldos Frühling. Die T-Shirts werden zum Spottpreis angepriesen und kommen in der Darstellung nahe ans Original.
Wo ist der Herbst?
Zurück zur Ausstellung: Für meinem zweiten Besuch am nächsten Morgen muss ich mir ein Zeitfenster buchen. Wieder stehe ich vor dem Frühling, er zieht mich einfach magisch an. Neben mir steht ein kleines etwa 10 Jahre altes Mädchen mit ihrer Großmutter. Sie fragt diese: „Wo ist eigentlich der Herbst?“ Da muss ich doch lachen, vor lauter Frühling war mir doch tatsächlich entgangen, dass der Herbst weder in der Münchner Reihe noch in der Wiener Reihe hängt. Bei dem Mädchen bedanke ich mich für ihre Aufmerksamkeit und recherchiere sofort. Der Wiener Herbst gilt als verschollen. Der Münchner Herbst ist leider in so schlechtem Zustand, dass er keine Ausstellung überstehen würde.
Fake News schon in der Renaissance
Am Nachmittag gehe ich ein drittes Mal in die Ausstellung. Diesmal habe ich mir ein Zeitfenster mit Führung ausgewählt und zwar nicht mit Fokus auf Arcimboldo.
Aus der Führung sind mir vor allem zwei Dinge hängen geblieben. Leandro Dal Ponte, genannt Bassano (1557-1622) hatte einen Zyklus mit den zwölf Monaten erstellt. Ihm ging es darum, so zu malen, dass sich das adelige Publikum in den Bildern wiederfinden konnte. So stellte er im Bild ´Februar´ erstmalig in der italienischen Kunst der Renaissance den Karneval dar. Und auf dem Bild ´Januar´ (1581-87) kehren reich gekleidete Männer von der Jagd zurück und Bauern wärmen sich an einem Feuer. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die dargestellten Bauern allesamt sehr gut genährt aussehen. Das, so unser Guide, geschah mit Absicht, um den Auftraggebern der Bilder zu schmeicheln und allen Betrachtern zu suggerieren, dass die Dienstherren selbstverständlich gut für ihr Volk und ihre Bauern sorgten. In Wirklichkeit waren die Bauern natürlich bei weitem nicht so gut genährt. So viel zum Thema Fake News in der Renaissance und den Möglichkeiten, die Realität mit virtuellen Mitteln ein wenig anzupassen. Hatte also schon vor rund 450 Jahren Methode.
Im Gespräch mit einer Kopistin
Nach der Führung schlendere ich noch weiter durch das Kunsthistorische Museum und frohlocke, als ich in einem der Säle eine mit Pinseln und Farben professionell ausgestattete Staffelei nebst einem halb fertig gemalten Bild entdecke. „Eine Kopistin ist hier am Werk“, freue ich mich. Sie kommt einen Moment später zur Staffelei zurück und erzählt mir etwas über die Kopisten im Kunsthistorischen Museum.
Es gibt die Möglichkeit, sich im Museum einen Kopistenausweis erstellen zu lassen. Die kennengelernte Kopistin war eigentlich von Beruf Pianistin, ist gleichzeitig eine begabte Malerin und kopiert nun seit ihrem Renteneintritt Gemälde im Kunsthistorischen Museum. Es gibt Kopisten, die Auftragsarbeiten annehmen und durchführen und es gibt welche, die Werke nur aus reinem Vergnügen für sich kopieren. Meine Gesprächspartnerin kopiert nur zu ihrem Vergnügen. Ohne weiteres darf man das allerdings nicht, im Kunsthistorischen Museum gilt eine Kopierordnung (https://www.khm.at/kunstwerke/kopierordnung-der-gemaeldegalerie-des-kunsthistorischen-museums-1311631) und man muss sich bei der Leitung vorab offiziell als Kopist bewerben und erhält im Falle eines positiven Bescheids einen extra Ausweis.
Mir ist das Hobby sympathisch. Es braucht Geduld, sich an ein Kunstwerk anzunähern, sich die Zeit zu nehmen, die Farben genau zu mischen, sich mit Proportionen, Formen, Licht- und Schattenwirkung auseinanderzusetzen und dabei nie ganz allein zu sein, weil der Besucherstrom im Kunsthistorischen Museum nicht abreißt.
Das Hobby ist wie ein kleiner Gegenentwurf zu den vielen, kurzlebigen Möglichkeiten, heute Themen und sich virtuell in Szene zu setzen.
KI und Urheberrecht
Apropos virtuell. Wer mit digitalen Medien zu tun hat, kommt hierbei auch nicht um das Thema Künstliche Intelligenz. Gebe ich einer KI den Auftrag (man nennt es prompten) "Male den Frühling von Arcimbodo", erscheint in Sekundenschnelle ein Bild. Mit dem Original hat dies allerdings wenig zu tun. Auch das Urheberrecht gilt damit nicht verletzt: „Das deutsche Urheberrechtsgesetz schützt diverse Arten von Werken. Werke sind nach § 2 Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) aber nur persönliche geistige Schöpfungen. Diese persönlichen geistigen Schöpfungen setzen eine menschliche, kreative Leistung voraus – dies wird der Erzeugung von Bildern mittels künstlicher Intelligenz derzeit abgesprochen.“ (https://www.kom.de/recht/was-bei-ki-generierten-bildern-zu-beachten-ist/)
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Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var









