Mutmacher: schönste Müllverbrennung Europas

Alexandra Freund-Gobs • 19. Juli 2024

Müllverbrennung in Wien, Hundertwasser, Kunst und Lehrreiches.

Wer in Wien mit der U6 Richtung Floridsdorf fährt, erblickt sie im Vorbeifahren rechterhand. Die Müllverbrennungsanlage Spittelau im neunten Gemeindebezirk Alsergrund. Von diversen Aussichtspunkten in Wien ist auch der 125 Meter hohe Schlot, verschönert mit einer riesigen, goldenen Kugel, zu sehen. Ursprünglich erbaut wurde die Müllverbrennungsanlage mit angeschlossenem Fernheizkraftwerk zwischen 1966-1971. Die Wiener Bürger hatten wenig dafür übrig. Wer will so was schon in direkter Nachbarschaft? Zu den ersten Abnehmern der Fernwärme gehörte unter anderem das Allgemeine Krankenhaus. 1987 kam es am 15. Mai zu einem riesigen Brand.. Aus dem Gemeinderat gab es daraufhin Stimmen, die Müllverbrennungsanlage zu schließen. Aber es mangelte an Alternativen, ein Neubau an anderer Stelle kam aus finanziellen Gründen nicht in Frage. 

Hundertwasser sagte „nein“

Nun kam Friedensreich Hundertwasser ins Spiel. Man bat ihn, die Anlage (Fassade und Schlot) neu zu gestalten. Er lehnte ab. Doch so schnell gab sich der damalige Bürgermeister Wiens, Helmut Zilk, nicht mit dem „Nein“ zufrieden. Er blieb beharrlich. Hundertwasser bekam Bedenkzeit. Schließlich stimmte dieser zu, drei Argumente und die Zusage mehrerer Bedingungen gaben den Ausschlag:

  • Die Zusage, die Anlage mit modernsten technischen Einrichtungen zur Emissionsreinigung auszurüsten.
  • Der Umstand, dass eine Millionenstadt wie Wien selbst bei größten Anstrengungen Abfälle nicht gänzlich vermeiden kann.
  • Und vor allem die Tatsache, dass die thermische Behandlung von Abfall die umweltfreundlichste Methode der Entsorgung ist.
Die Umgestaltung übernahm Hundertwasser nun unter der Bedingung, dass mit der Wiederinbetriebnahme der thermischen Abfallbehandlungsanlage am Donaukanal ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Wiener Luft und zur Vernichtung der Schadstoffe im Abfall geleistet wird. Daher wurde die Müllverbrennungsanlage im Zuge der Renovierung mit modernsten Raumgasreinigungsanlagen Europas ausgestattet. 

Die Argumente und Bedingungen findet man hier: 

Hundertwasser arbeitete für den Auftrag ehrenamtlich - ohne Honorar und Kostenrückerstattung.

Statt ins Museum in die Müllverbrennungsanlage

Ich habe bei meinen Wienbesuchen schon einige Male im neunten Bezirk gewohnt und jedes Mal die „Spitt“ von allen Seiten fotografiert und immer wieder umrundet. Ich finde sie wunderschön. Deshalb war es auch naheliegend, sie einmal innen zu besichtigen. Es gibt öffentliche Führungen, die man auf der Website von Wiener Energie (wienenergie.at) buchen kann. Es lohnt sich sehr, so viel sei hier verraten. Dahinter steckt der Gedanke, als Multiplikator zu wirken. Mich hat es sehr beeindruckt. Anschaulich wird vieles erklärt, so zum Beispiel, dass auch beim Verbrennen von Müll immer ein Rest bleibt. Von 100 % Abfallvolumen bleiben circa 8-10 % Restvolumen. Von einer Tonne bleiben 237 kg Reststoffen übrig. Davon sind 220 kg Schlacke und 16 kg Asche. Daraus entsteht dann Schlackenbeton, der in Österreich auf die Mülldeponie kommt. Übrig bleibt der sogenannte Filterkuchen. Dieser wird übrigens in Deutschland in einer Untertagedeponie endgelagert.


Verboten: den VW Käfer in der Müllverbrennungsanlage entsorgen

Zu den kuriosesten Abfällen, die bislang  hier entsorgt wurden, gehörte eine halbe Kuh und ein VW Käfer. Beides selbstverständlich nicht erlaubt, aber die Besitzer wollten wohl Geld für die Entsorgung sparen. Der Käfer musste mit einer Flex erst zerschnitten werden für die Verbrennung, der Fahrzeughalter wurde ausfindig gemacht und durfte für sein Vergehen einen sechsstelligen damals noch Schillingbetrag berappen. 

Bei der Führung kommt man auch aufs Dach, wo Bienen gezüchtet werden (kein Witz!) und man das berühmte Kapperl aus der Nähe betrachten kann.  Und man erfährt, dass auf dem Schlot Turmfalken nisten. Ein Falke hat sich eines schönen Tages bis nach unten verirrt, und durfte dann mit einem Mitarbeiter mit dem Fahrstuhl wieder zu seinem Domizil fahren. Das ist allerdings schon ein paar Jahre her.

Schwergewichtige Bayern, inspiriertes Japan

Zum Abschluss noch eine Anekdote: Zu Beginn der Führung kommt man zu den Müllwaagen, die LKWs fahren drauf und lassen ihren Müll wiegen. Zur Erheiterung darf auch jede Besuchergruppe auf die Waage steigen, um zu schauen, was sie an Gewicht mitbringt. Die schwerste  Gruppe  bestand aus 31 Männern, die sage und schreibe 4300 kg auf die Waage brachten.  Die  Guides lassen es sich an dieser Stelle nicht nehmen, zu erwähnen, dass die Gruppe aus dem „Lieblingsnachbarland“ und dort aus dem Bundesland Bayern kam. 
Apropos Freundschaft. Es gibt eine Partneranlage, die auch Hundertwasser gestaltet hat. Sie befindet sich in Japan auf der aufgeschütteten Insel Maishima vor Osaka, wurde zwischen 1997 und 2001 erbaut und hat ein ähnliches Aussehen. Hundertwasser hat die Fertigstellung dieser Anlage allerdings nicht mehr erlebt. Er starb im Jahr 2000.



Stuttgart-Wien-und-mehr

von Alexandra Freund-Gobs 16. November 2025
Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var
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Auf diesen Text freue ich mich besonders: Es geht unerwartet um pure Lebensfreude, wenngleich es erst nach Stress aussieht, um spontane Entscheidungen und um Eis.
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