Exklusivführung durch das Kraftwerk Simmering

Alexandra Freund-Gobs • 27. Oktober 2024

Das Kraftpaket – Eine Führung durch das Kraftwerk Simmering

Fotografien: Alexandra Freund-Gobs


Bei meiner Arbeit als Texter dreht sich vieles um das Thema Energiegewinnung. Und in meinen Blogartikeln erzähle ich gerne von Orten, die es sich zu besuchen lohnt. Heute schreibe ich über einen Besuch im Kraftwerk Simmering und kann wunderbar beides verknüpfen.


Seitdem ich die Müllverbrennungsanlage in Wien besichtigt habe, will ich auch das Kraftwerk Simmering anschauen. Dazu habe ich nun die Gelegenheit. Auf der Website von Wien Energie habe ich mich für eine Führung angemeldet. 20 Personen je Termin können teilnehmen, ich ergattere den letzten Platz am einzigen Termin, der für mich im Oktober in Frage kommt. Bingo. Wer sich gleich für eine Führung anmelden mag:  

https://www.wienenergie.at/privat/erleben/standorte/kraftwerk-simmering/


Über die Gasometer zum Kraftwerk


Für eine Besichtigung im Kraftwerk gilt es, einige Regeln zu beachten, darüber wird man im Vorfeld ausführlich informiert. Lange Hosen und festes Schuhwerk gehören dazu. Von der Innenstadt aus brauche ich etwa 50 Minuten.

Wie kommt man zum Kraftwerk Simmering? Man nimmt die U3 bis zur Station Gasometer, dann fährt man mit der Buslinie 72A bis zur Station Kraftwerk Simmering. Das Eingangstor befindet sich gegenüber.

An der Haltestelle Gasometer in Simmering steige ich aus der U und will eigentlich gleich nach dem Bus schauen, der mich das letzte Stück zum Kraftwerk bringt. Aber ich bin so fasziniert von den vier ehemaligen Gasbehältern aus dem Jahr 1896, von denen die Fassade erhalten blieb, dass ich erst mal eine kleine Spazierrunde drehe und den Bus verpasse.


Kein pompöser Eingang, dafür eine exklusive Führung


Als der nächste Bus kommt, ist die Zeit schon etwas knapp und ich gerate während der kurzen Busfahrt eindeutig in Stress. Geht es sich noch aus? In meiner Vorstellung ist der Eingang vom Kraftwerk Simmering ein pompöses Entrée. Die Realität holt mich jedoch auf den Boden der Tatsachen. Hier wird Energie erzeugt und verteilt, nicht mit Pomp und Gloria zur Schau gestellt.  Die Station ist unscheinbar, weit entfernt vom hippen Wiener Innenstadt-Leben. Ich fühle mich ähnlich, wie bei meinem Besuch am Alberner Hafen, dem Outback näher als der Großstadt.

Ein gut gekleideter Mann steigt mit mir aus dem Bus, ansonsten ist hier nichts. Witzigerweise entpuppt er sich als ein Mitarbeiter von Wien Energie, der ebenso an der Führung teilnehmen wird. Der Eingang zum Kraftwerksgelände ist auch aus der Nähe betrachtet unscheinbar, eine abgeschlossene Pforte, ein Pförtnerhaus. Mehr nicht. Hier warte ich auf sein Geheiß. Der junge Mann entfernt sich und kehrt mit einem weiteren Mitarbeiter zurück. Doch... Wo? Ist? Die? Gruppe?


Die komplette angemeldete Gruppe (eine Schulklasse), so erfahre ich von den beiden, musste wegen Krankheit des Lehrers sehr kurzfristig absagen. Ich war die plus eins zu 20. Auf diese Weise komme ich zu einer sehr exklusiven Führung, kann Fragen über Fragen stellen und muss auch feststellen, dass ich von der logistischen Seite, eine Großstadt sicher und konstant mit Energie zu versorgen, so gar keine Ahnung habe.


Mit Helm und Sicherheitsschuhen ins Kraftwerk


Als erstes bekomme ich einen Helm, eine Schutzbrille, Ohrenschützer mit integrierten Lautsprechern und Sicherheitsschuhe. Dann geht es los in das Herzstück der Anlage.

Mir gefällt schon die lehrreiche Hinführung an das Thema Energiegewinnung und die Freude, auch Laien so an das Thema heranzuführen, dass man neugierig bleibt und nicht überfordert wird. Die erste Frage lautet: „Haben Sie selbst schon mal Strom erzeugt?“ Instinktiv beginne ich eine Kurbelbewegung mit den Armen und ernte dafür ein anerkennendes Nicken. Turbinen drehen sich und genau da wollen wir hin.


1902 lieferte das Kraftwerk Simmering erstmals Strom. Heute zählt es zu einer der modernsten Anlagen Europas. Rund 800.000 Haushalte und mehr als 7.000 Business-Kunden werden mit Strom versorgt. Zusätzlich liefert das Kraftwerk Simmering 1 Fernwärme für knapp 270.000 Haushalte. Eine moderne Gas- und Dampfturbinen-Anlage (GuD-Anlage) erzeugt die Energie. Die Turbinen schauen wir uns als erstes an. Schön ist der Vergleich zu alten Schaustücken, die ebenfalls zu besichtigen sind, denn der Aufbau der alten Turbinen ist den heutigen immer noch sehr ähnlich.


Mich persönlich interessieren die zwei Großwärmepumpen am Standort. Denn sie sorgen dafür, dass die bis dahin nicht genutzte Abwärme der Kraftwerksanlagen gezielt und umweltfreundlich in Fernwärme umgewandelt wird. Das Funktionsprinzip gleicht dem eines Kühlschranks – nur umgekehrt. Abwärme ist das gewünschte Endprodukt, die Wärmequelle ist das Kühlwasser der Kraftwerksanlage Simmering.


Nicht minder aufregend ist der Besuch des Biomassekraftwerks. Täglich rollen hier LKW-Ladungen voll mit Holzschnitzel an und versorgen das Kraftwerk. Wir laufen durch das Innere, während mir parallel die Wirkungsweise erklärt wird, und ich kann über eine Luke einen Blick in den Feuerkessel werfen.


Energie bereitzustellen bedeutet, für eine ganze Stadt mitzudenken

 

Doch es geht hier ja nicht nur darum, Menschen konstant und sicher mit Energie zu versorgen. Es geht auch darum, die Energie nachhaltig zur Verfügung zu stellen. Während beispielsweise am 24.12. abends grundsätzlich viel Energie benötigt wird, weil Familien gemeinsam das Festmenü genießen, sieht es am ersten Januar, dem „Katermorgen“ anders aus. Jetzt kommt kaum einer früh aus den Federn. Und unter der Woche wird vormittags insgesamt  nicht so viel Energie benötigt, wie am frühen Nachmittag, wenn berufstätige Mütter oder Väter und Kinder heimkehren und Energiespitzen erzeugen.

 

Die Thermoskanne macht Energievorhaltung möglich


Auch deshalb wurde in Simmering 2013 ein bisher einzigartiger Wärmespeicher errichtet. Es handelt sich um zwei Speicherbehälter, die mit 45 Metern deutlich höher als ein zwölfgeschossiges Gebäude sind. Bis zu 150 Grad Celsius heißes Wasser wird dort unter hohem Druck gespeichert. Somit kommt es zu einer Entkopplung von Wärmeproduktion und -verbrauch. Das heißt, Wärme kann zeitlich unabhängig von der Erzeugung dann verbraucht werden, wenn sie benötigt wird. Die Speicher werden pro Jahr rund 2.200 Stunden be- und rund 2.200 Stunden entladen. Die jährlich gespeicherte und somit auch entnommene Wärmemenge beträgt rund 145.000 Megawattstunden. Das entspricht dem durchschnittlichen jährlichen Wärmebedarf von 20.000 Haushalten.


Am Ende der Führung stelle ich mich noch direkt unter einen der weithin sichtbaren 200 Meter hohen Kamine und schaue nach oben. Eine optische Täuschung: Steht man mit den Füßen direkt am Turm, denkt man, er neigt sich über einen. Ich nehme es als leichte Verbeugung zum Abschied und gebe meine Schutzkleidung wieder zurück. Auf Wiedersehen Wien Energie, als nächstes nehme ich mir die Energie-Erlebniswelt vor.

Stuttgart-Wien-und-mehr

von Alexandra Freund-Gobs 16. November 2025
Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var
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Auf diesen Text freue ich mich besonders: Es geht unerwartet um pure Lebensfreude, wenngleich es erst nach Stress aussieht, um spontane Entscheidungen und um Eis.
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