Ein Samstag in Wien

Alexandra Freund-Gobs • 4. August 2023

Frühstück an der Donau, das beste Eis, der Eruv, ein Flohmarkt

Es ist Samstag, morgen fahre ich wieder zurück. Die Tage in Wien hatte ich dick gefüllt mit Türkenschanzpark, Setagayapark, Botanischem Garten – aber davon ein andermal. Heute möchte ich mich planlos treiben lassen. Wien bietet dafür so viele überraschende Möglichkeiten, dass aus dem sich Treiben lassen meist unwillkürlich doch ein kleines Programm wird.

Frühstück auf der Donauinsel

Weil es ziemlich heiß ist, entschließe ich mich morgens zu einem „to go“ Frühstück auf der Donauinsel. Die U1 Haltestelle Vorgartenstraße bietet dafür den idealen Ausgangspunkt. In einer der Bäckereifilialen Ströck in der Lassallestraße hole ich mir ein Croissant und einen Milchkaffee extragroß (ideal für alle Nicht-Wiener, die ab und zu mal Milchkaffee oder Latte macchiato trinken möchten statt eines Braunen, Verlängerten, …). Anschließend spaziere ich über die Donaubrücke auf die Donauinsel und suche mir einen Platz mit Blick über die Donau direkt auf die imposante Franz-von-Assisi-Kirche. Die Kirche selbst befindet sich am rechtsseitigen Donauufer am Mexikoplatz. Eine Tafel weist darauf hin, dass dieser so heißt, weil Mexiko das einzige Land war, das 1938 vor dem Völkerbund gegen den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich protestiert hatte. Der Platz selbst ist bis in die Abendstunden immer sehr belebt, wenn das Wetter sich dafür eignet. Da ich hier oft vorbeilaufe, habe hier schon Seniorengruppen zugeschaut, die zu Musik Gymnastik machen, manchmal wehen Tangoklänge vorbei, weil auf den Rasenflächen Tanzstunden stattfinden. Ein sich neben der Kirche befindender Bolzplatz ist für sportliche Aktivitäten da. Die zahlreichen Parkbänke vor der Kirche werden von Jung und Alt zum Essen, plaudern oder Schach spielen genutzt. Riesige Bäume spenden Schatten und verzücken das Auge im April mit rosa Blüten. 

Wenn man unschlüssig ist: Schwedenplatz idealer Ausgangspunkt

Nach meinem Frühstück an der Donau entschließe ich mich zu einem Spaziergang im zweiten Bezirk. Ich fahre zum Schwedenplatz. Der zentrale Halteplatz zahlreicher Öffis ist immer ein guter Anlaufpunkt, wenn man nicht genau weiß, was man unternehmen möchte. Ist es zum Beispiel kalt, windig, es regnet oder man braucht Laufpause, kann man mit den Straßenbahn Linien 1 und 2 den Wiener Ring mit seinen Prachtbauten erkunden. Am Schwedenplatz steigt man in die Linie 2 Richtung Dornbach ein und fährt bis zum Ring/Volkstheater. Dort steigt man um in die Linie 1 Richtung Prater/Hauptallee und fährt wieder zum Schwedenplatz. Ist es angenehm warm, kann man vom Schwedenplatz aus am Donaukanal entlangspazieren und die Kulisse Wiens auf sich wirken lassen. Man kann vom Schwedenplatz aus auch gut einen Teil des zweiten Bezirks erkunden, welcher zwischen Donaukanal, Augarten und Prater liegt. Das habe ich vor, denn aufgrund der relativ eng aneinander stehenden Häuser findet man hier immer eine Schattenseite. Außerdem befinden sich hier der Karmelitermarkt und das Karmeliterviertel. In dem Viertel wohnen zahlreiche Menschen jüdischen Glaubens. Das schlägt sich auch kulinarisch nieder. Im 2. Bezirk, der Leopoldstadt, und speziell im Karmeliterviertel gibt es zahlreiche koschere Geschäften, Restaurants, Bäckereien, Fleischhauereien sowie Schulen und religiösen Einrichtungen das Zentrum des jüdischen Lebens in Wien. 

Eine Besonderheit: der Eruv

Auf dem Karmelitermarkt schlendere ich zwischen den Ständen durch, in der ruhigen, gemütlichen Atmosphäre könnte ich an einem der dafür hergerichteten Tische der Marktbeschicker jetzt sitzen bleiben, aber dafür ist mir heute zu heiß. Ich ziehe weiter Richtung Taborstraße. Es ist Schabbat, der vom Sonnenuntergang am Freitagabend bis Samstagabend andauert. Erkennbar ist das daran, dass zahlreiche Familien orthodox jüdischen Glaubens in festlicher Kleidung unterwegs sind. Damit diese hier trotz Schabbat beispielsweise auch ein Kind tragen oder einen Kinderwagen schieben dürfen, dafür gibt es den Eruv. Der Eruv ist eine Besonderheit für mich, über die ich mich näher informiere. (Wen es interessiert, kann hier weiterlesen: https://www.ikg-wien.at/nachrichten/der-wiener-eruv) Zusammengefasst, dient das Prinzip eines Eruv dazu, eine Begrenzung zu schaffen, die Bewohnenden innerhalb der Begrenzung als Bewohner eines Haushaltes deklariert. Das ermöglicht dann Menschen orthodox jüdischen Glaubens, außerhalb ihrer Haushalte, aber innerhalb der Begrenzungen des Eruv, Gegenstände zu bewegen oder zu tragen, auch ein Kind oder einen Kinderwagen. Dass der Eruv am Schabbat koscher ist, dafür wird er freitags immer überprüft. Nun versuche ich herauszufinden, ob ich die in Wien 25 Kilometer umfassende Begrenzung irgendwie erkennen kann. Ist es der zusätzliche Draht an der Straßenbeleuchtung? Ich bin mir nicht sicher und ziehe weiter.

Für mich jedes Mal ein Muss: Eis-Greissler 

Mir steht der Sinn nach einem Eis. Das beste Eis in meinen und auch in den Augen vieler Wiener/-innen gibt es bei der Eismanufaktur Eis-Greissler. Ein Extra ist beispielsweise, dass ich mir eine Kugel in zwei Sorten einteilen kann, so bekomme ich viel Geschmack zum Testen und gerate nicht in die Gefahr, mehr zu essen, als gut ist. Vier Standorte hat Greissler in Wien. Aber aufgepasst, ich stand auch schon mal vor verschlossenen Türen und musste einen anderen Standort wählen – zum Glück hat man Auswahl. 

Wild im West - der beste Flohmarkt

Mein letzter Anlaufpunkt an diesem Tag ist ein Flohmarkt. Wild im West in der Mariahilfer Straße 166 ist für mich echt außergewöhnlich. Man darf sich nicht täuschen lassen von der Ortsbezeichnung, die Mariahilfer Straße ist recht lang und Wild im West befindet sich bereits im 15. Bezirk. Alleine wäre ich nicht darauf gekommen, ich befinde mich in Begleitung einer mir sehr lieben Wienerin. Von Ende Mai findet der Flohmarkt samstags und sonntags von 16 Uhr bis 21 Uhr statt. Wir kommen erst nach 20 Uhr an und genießen kurz vor Schluss so die traumhafte Abendstimmung. Nach bester Marktmanier werden uns Kleidungsstücke angeboten und dazu Geschichten erzählt wie: „Ein Geschenk meiner Mama, mein Lieblingsstück, aber leider für mich zu groß…“ Ein Paradies für alle Secondhandliebhaber, denn das Angebot ist reichlich und teils erlesen. Nebenbei stehen hier überall Bierbänke sowie Tische zur Verfügung, an Food Trucks kann man sich Trinken und Essen holen und Musik umrahmt das besondere Flair. Wie lange es den Flohmarkt geben wird, ist nicht ganz gewiss. Es handelt sich um eine Zwischennutzungsfläche. Wir lassen uns von einer liebenswerten Verkäuferin zum Kauf von einer Jacke und einem Mantel überzeugen, für zusammen 10 Euro wechseln die besonderen Stücke den Besitzer. So endet mein Wienbesuch diesmal mit einem nicht geplanten Mantelkauf – und ich habe zuhause eine dauerhafte Erinnerung an Wild im West in Wien.

Stuttgart-Wien-und-mehr

von Alexandra Freund-Gobs 16. November 2025
Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var
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