Goslar - Fachwerk vom Feinsten

Alexandra Freund-Gobs • 6. Juli 2023

Eine ehemalige Hansestadt am Rande vom Harz

Irgendwie ganz weit weg und trotzdem nicht vergessen sind für mich Ausnahmezustand mit Lockdowns und persönlich erlebten wochenlangen Corona-Quarantäne(n) zwischen 2020 und 2022. Wann immer ich Zeit hatte, floh ich in imaginäre Welten auf den sozialen Medien und plante Reisen. Im Fokus standen Orte in Deutschland, die ich noch nicht gesehen hatte und die mit ansprechenden Bildern schöne Ziele versprachen. Auf diese Weise versorgte ich mich mit positiven Gedanken. Irgendwann ploppten Bilder von Goslar auf. Was für ein hübsches, altes und unverbrauchtes Städtchen – ich nahm mir vor, es bei erster Gelegenheit zu besuchen. 

Goslar zählte zu den Hansestädten

2023 ist es so weit. Wir planen eine Reise zu einer Reihe von Hansestädten. So steht auf dem Weg in den hohen Norden Deutschlands ein Zwischenstopp in Goslar an, welches sich Mitte des 13. Jahrhunderts der Hanse angeschlossen hatte. Ein kleiner Einschub: Neben Hansestädten an der Küste gab es auch eine Reihe von Binnenhansestädten. Eine wirkliche Definition des Bundes gab es nicht, während der Blütezeit zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert waren rund 200 Städte in der Hanse. Hintergrund waren ökonomische Interessen.

Wir haben eine Übernachtung im Boutique Hotel gebucht. Es liegt nicht ganz im Zentrum, ist aber so nett beschrieben, dass wir es im Vorfeld auswählen. Wir fahren von der Autobahn ab durch eine leicht hügelige Landschaft, die Ausläufer des Harzes. Hier sind nicht so viele Autos unterwegs wie in Baden-Württemberg, das trägt schon mal zur beginnenden Erholung bei. Das Hotel selbst ist eine wunderschöne Villa mitten in einem wunderschönen Villenviertel. Jedes Zimmer trägt einen eigenen Namen und ist auch sehr adrett und modern eingerichtet. Wir fühlen uns gleich richtig wohl. Auf der Hausrückseite befindet sich ein hübscher Garten, in dem wir am nächsten Morgen auch frühstücken werden. 

Ein Stadtbild so schön wie eine Filmkulisse

Die um 920 gegründete Stadt Goslar liegt am Nordrand des Harzes, am Ausgang des Tales des namensgebenden Flusses Gose. Hier fanden dank der ersten (deutschen) Kaiser viele Reichstage Stadt, das machte die Stadt bekannt. Im 14. Jahrhundert wurde Goslar von Kaiser Karl dem IV zur Reichsstadt erhoben. 
Der Weg ins Stadtzentrum der rund 50.000 Einwohner zählenden Stadt führt etwas bergab, vorbei an zahlreichen verzierten und mit Schriften versehenen Häusern, die auf eine ehemalige Blütezeit hinweisen. Die Innenstadt ist nur rund einen Quadratkilometer groß, fast vollständig erhalten und detailgetreu restauriert. Empfehlung für Frauen: Flache Schuhe anziehen, da fast das gesamte Innenstadtgebiet gepflastert ist. Das Stadtbild ist insgesamt enorm schön, bei jeder Wegbiegung entfährt mir ein freudiges „oh!“, wenn ich in die Gassen blicke. Links und rechts sind diese gesäumt von kleinen aneinandergeklebten Fachwerkhäuschen, die teilweise etwas windschief dastehen und somit noch mehr Originalität ausstrahlen. Wir laufen ein Stück an einem Bach mit dem Namen Abzucht entlang, in einem Innenhof üben zwei Männer zu Musik Paartanzschritte, eine Frau leitet sie an. So gelangen wir an die Kaiserpfalz, die im Süden der Stadt am Fuße des Rammelsberg liegt. Hier sitzen zahlreiche junge und ältere Menschen auf einer Wiese und genießen das Wetter und den Blick auf die Altstadt. 

Ein Problem vieler Kleinstädte

Zurück im historischen Stadtkern suchen wir uns einen Platz im Freien, in einem der zahlreichen Restaurants, um das berühmte Gose-Bier zu trinken und zu essen. Wir sitzen so nahe am Marktplatz, dass wir das Geschehen dort verfolgen und hören können. Interessanterweise gibt es gerade eine Veranstaltung, bei die Jugend von einer der großen deutschen Parteien interviewt wird. Zu Wort kommt gerade eine Abiturientin aus Goslar, die uns ein wenig zum Nachdenken bringt. Sie erzählt davon, dass sie ihre Heimatstadt zwar hübsch findet, aber so schnell wie möglich hier wegwill. Es gäbe einfach zu wenig Möglichkeiten an Bildung und Ausbildung in Goslar. Wir lauschen den Worten aufmerksam. Das bringt mich dazu, etwas zu recherchieren. Tatsächlich finde ich Informationen, dass Goslar offenbar jährlich Einwohner verliert, junge Menschen wegziehen und die Stadt überaltert. Dem versucht man mit diversen Ansätzen entgegenzuwirken. Der Trend ist auch aus Oberschwaben bekannt, es ist also eher ein Phänomen von Klein- und Mittelstädten Deutschlands. Auffällig in Goslar sind die Immobilienpreise. Das haut uns fast von den Socken. Eine Immobilie lässt sich hier für ein Viertel des Preises wie in Oberschwaben erwerben. Das ist nun sehr bemerkenswert.

Goslar und Harz - vielleicht beim nächsten Mal

Am nächsten Morgen fragen wir die Hotelbesitzerin, was sie zu den Aussagen der jungen Abiturientin meint. Sie widerspricht und zählt die Unternehmen in der Nähe auf, bei welchen man arbeiten und sich ausbilden kann. So nehmen wir auf unsere weitere Reise viele Eindrücke mit: Eine wunderschöne kleine Fachwerkstadt, die wohl im Alltag auch ihre Probleme hat. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, sicherlich auch für länger, um den Harz zu erkunden, das behalte ich mal im Hinterkopf. Aber ob wir deutschen Touristen gemeinsam mit den vielen Touristen verschiedenster Länder, denen wir begegnet sind, das Problem Verödung lösen, das ist fraglich.


Stuttgart-Wien-und-mehr

von Alexandra Freund-Gobs 16. November 2025
Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var
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