Gemeindebauten, Wiener Waschsalon, rotes Wien

Alexandra Freund-Gobs • 20. November 2023

Kontrastprogramm zu den Prachtbauten Wiens

Wenn man in Wien an die wunderschönen Prachtbauten der Inneren Stadt und im ersten Bezirk denkt, fällt einem nicht unbedingt unmittelbar der Begriff „Rotes Wien“ ein. Die Innere Stadt wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Die Ringstraße zählt zu den prächtigsten Straßen Europas. Glanz und Glamour begleiten einen hier auf Schritt und Tritt. Was aber mindestens ebenso zu Wien gehört, sind die sogenannten Gemeindebauten. Man erkennt sie meist an Aufschriften, die an den Häuserfassaden angebracht sind und auch das Erbauungsjahr preisgeben. 

Wiener Gemeindebau "erbaut im Jahr..."

Zwischen den beiden Weltkriegen begann die Zeit des Gemeindebaus. Hintergrund war eine katastrophale Wohnsituation für zwei Drittel der Menschen, die in Wien lebten. So beschloss die damals neu gewählte sozialdemokratische Stadtregierung Wiens in den Anfängen der 1920er Jahre, mehrere tausend Wohnungen zu bauen und legte damit den Grundstein für den Wiener Gemeindebau. Es ging darum, leistbaren Wohnraum zu schaffen. 1925 war der erste Gemeindebau bezugsfertig, der Metzleinstaler Hof. Die Wohnorte sollten auch die Lebensqualität steigern und es wurden deshalb soziale Einrichtungen wie Kindergärten, Büchereien, Geschäftslokale und ärztliche Versorgungsmöglichkeiten integriert. Viel Wissenswertes über die Gemeindebauten erfährt man hier: https://www.wienerwohnen.at/wiener-gemeindebau.html
Beim ersten Besuch in der Stadt fallen die Gemeindebauten vielleicht nicht sofort auf. Kehrt man nach Wien zurück, richtet man irgendwann und irgendwo jedoch ganz sicher den Blick auf eine an vielen Hausfassaden und Wohnblöcken angebrachte Aufschrift „Erbaut von der Gemeinde Wien im Jahr …“. 

Start mit einer Führung zu den Gemeindebauten 

Bewusst habe ich mich das erste Mal 2022 mit den Wiener Gemeindebauten beschäftigt. In dem Jahr präsentierte die Internationale Bauausstellung Wien (IBA_Wien) vielfältige Projekte und es gab die Möglichkeit, an einer Führung durch „10 Jahrzehnte Wiener Gemeindebauten“ im 21. Gemeindebezirk Floridsdorf teilzunehmen. Gemeinsam mit rund 20 interessierten Wienern und Nichtwienern ließen wir uns vom Londoner und Wahlwiener Eugene Quinn quer durch den Bezirk führen. Nebenbei lernte ich, dass in Wien auch Gurken angebaut werden (das nur am Rande) und ganz viel über die Architektur der Gemeindebauten in den verschiedenen Erbauungszeiträumen. Wir sprachen hie und da mit Bewohnerinnen und Bewohnern und lernten so das Phänomen dieser Stadt besser kennen. Eine Seniorin mit Hund berichtete zum Beispiel, dass sich aus ihrer Sicht der soziale Zusammenhalt im Laufe der Jahre verändert hat: „Früher stand man mehr zusammen und traf sich auf dem Hof“. Der Tag war lehrreich und lang, am Ende taten meine Füße weh, mein Kopf war voll und besonders in Erinnerung hatte ich den Bieler Hof behalten. Er mutet mit einem rot gestrichenen Säulengang, einem schmucken Terrassenbalkon darüber und der Terrakotta-gelben Fassadenfarbe ein bisschen an wie ein spanisches Gebäude. Die Aufschrift an der Hausfassade gibt preis: „Erbaut von der Gemeinde Wien in den Jahren 1926-1927 aus den Mitteln der Wohnbausteuer.“ Mit Hilfe der sogenannten Wohnbausteuer wurden zwischen 1923 und 1934 über 380 Gemeindebauten mit mehr als 64.000 neuen Wohnungen errichtet. Die Steuer traf alle Wohnungsbesitzer und war gestaffelt. Damit wurde ein Drittel der Wohnbaukosten gedeckt. Zurück zur Architektur: Der Bieler Hof ist auch berühmt aufgrund eines besonderen Treppenhauses, welches wir mit Eugene Quinn besichtigen und fotografieren durften (Foto). 

Der "Wiener Waschsalon"

Mein Interesse an dem Thema war geweckt. Eine Wienerin gab mir Tipps, wie ich mich weiter mit dem Thema beschäftigen und so auch näheres über zum Beispiel die Finanzierung des frühen Gemeindebaus erfahren kann. Sie schickte mich in den „Wiener Waschsalon“. Der Waschsalon hat heute nicht mehr viel mit Wäsche und Waschmaschinen zu tun. Vielmehr gibt es dort seit 2010 eine Dauerausstellung über „Das rote Wien“ der ersten Republik im „Wiener Waschsalon“. Ganz eng damit verknüpft ist der kommunale Wohnungsbau. Um zum „Waschsalon Nr. 2“ in der Halteraugasse zu gelangen, fährt man am besten bis zum Bahnhof Heiligenstadt. Gegenüber ist der denkmalgeschützte Karl-Marx-Hof nicht zu übersehen. Die konkreten Ausstellungsöffnungszeiten erfährt man am besten über die Website https://dasrotewien-waschsalon.at/startseite Da der Waschsalon im Prinzip nur donnerstags, sonntags und feiertags geöffnet hat, und die Anfahrt doch ein Stück von der Innenstadt entfernt, ist es ratsam, sich vorher zu erkundigen.
Kurzfilme, viel Lesematerial und anschauliche Plakate führen durch die Zeit. Besonders toll fand ich eine Tafel, die zeigt, wo sich überall in Wien Gemeindebauten befinden und aus welcher Zeit diese stammen. Und man lernt vieles über die politische Geschichte Wiens, beginnend bei den Anfängen der ersten Republik. 
Es gibt auch heute noch Führungen zu den Gemeindebauten. Mehr darüber findet sich auf der Website des „Wiener Waschsalons“.

Heute leben knapp 500.000 Wiener*innen in einer Gemeindewohnung. Mit rund 220.000 Gemeindewohnungen ist also fast jede vierte Wiener Wohnung eine Gemeindewohnung. (Quelle: https://www.wien.gv.at/kultur/kulturgut/architektur/gemeindebauten.html)


Stuttgart-Wien-und-mehr

von Alexandra Freund-Gobs 16. November 2025
Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var
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