152 Betonblöcke: Wotrubakirche in Wien

Alexandra Freund-Gobs • 18. Januar 2024

Eine besondere Kirche, ein besonderes Bauwerk, ein besonderer Blick

Als ich die Wotrubakirche in Wien zum ersten Mal von Weitem sah, dachte ich an einen Spieleimer mit einfarbigen Bauklötzchen, den man auf einer Wiese ausgekippt hatte. Ich hatte noch nie eine Kirche gesehen, die so besonders aussah. 

Ein Bauwerk - unendlich viele Perspektiven

Es sind aber keine Bauklötzchen, aus denen die Wotrubakirche gebaut ist, sondern 152 unverkleidete Betonblöcke mit einem Gesamtgewicht von über 4000 t. Mich zieht es immer wieder zu dem besonderen Bauwerk hin. Die Kirche befindet sich im Südwesten Wiens, in Liesing, dem 23. Gemeindebezirk. Vom Schwedenplatz aus kann man mit der U4 bis Hiezing fahren und muss dann mit dem Bus weiter. Der 60er oder der 60A fahren in die Richtung, am Ende gilt es noch den Nordhang des Sankt-Georgen-Bergs zu erklimmen, an dem sich hübsche Wohnhäuser aneinanderreihen. Da der Berg einigermaßen steil ist, wird der Blick auf die katholische Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit beim Laufen Stück für Stück freigelegt. So bekommt man von Anfang an einen Eindruck davon, dass man für dieses Bauwerk viele Perspektiven braucht, um es in Gänze zu erfassen. Die Kirche steht auf einem gepflegten Hügel, ausgestattet mit Rasenfläche, Büschen und Bäumen. Ein Teil des Hügels ist unterbaut. Seit 2018/19 gibt es hier einen barrierefreien Zugang zwischen Ober- und Unterkirche. 
 
Alleine die Aussicht genießen  - mit einer ganzen Schulklasse

Mein erster Besuch fällt auf einen heißen Wochentag im Juli und ich freue mich, die Kirche für mich alleine zu haben, weil sicher kein Mensch bei 38 ° C auf die Idee kommt, eine Kirche weitab vom Zentrum Wiens zu besichtigen. Oben angekommen umrunde ich das Bauwerk und lasse lange die verschiedenen Perspektiven auf mich wirken. Egal von wo aus ich schaue, die Kirche sieht jedes Mal komplett anders aus. Irgendwann beschließe ich, sie auch von innen in Augenschein zu nehmen und öffne die Tür. Eine Reihe von jungen Menschen dreht wie auf Knopfdruck die Köpfe zu mir, eine Lehrerin blickt mich streng an. Ich war so versunken ins Schauen, dass ich die Chorstimmen im inneren der Kirche einfach nicht wahrgenommen hatte. Um die Gruppe nicht weiter zu stören, trete ich den Rückzug an und suche mir draußen einen der Betonquader mit Blick in Richtung der Skyline Wiens aus und setze mich, um nun in Ruhe dem Gesang der jungen Leute im Inneren der Kirche zu lauschen. Auch der Blick zur Stadt runter hat es in sich und lohnt den Weg hierher. Irgendwann wird es kurz ruhig und die Gruppe strömt nach draußen. Alle sind ausgestattet mit Block und Bleistift und nehmen, wie ich zuvor, die verschiedenen Perspektiven der Kirche in den Blick. Es handelt sich um eine Schulklasse, die nun die Aufgabe hat, verschiedene Ansichten der Kirche zu zeichnen. In Ruhe verteilen sich die jungen Leute auf dem Anwesen und nehmen auch neben mir auf dem Quader Platz. Eine Weile schaue ich ihnen zu und genieße das angenehme Zusammensein. Irgendwann erhebe ich mich zum Aufbruch. Ein paar Köpfe heben sich und ein Mädchen spricht mich an: „Sie müssen nicht gehen, bleiben Sie doch einfach auch weiter hier sitzen.“ Das rührt mich sehr, erst der schöne Gesang, dann die Verbundenheit im Schauen und nun die rücksichtsvolle Ansprache. Der Moment ist so schön, dass mir das Herz aufgeht, und ich freue mich mal wieder über eine einmalige Erinnerung in meinem Reisegepäck.

Brutalismans ist nicht gleich Brutal

Der Baustil, dem die Kirche stilistische zugeordnet wird, ist der Brutalismus. Der Begriff hat nichts mit Brutalität zu tun, sondern bündelt verschiedene Architekturkonzepte. Der Begriff lehnt sich eher an den französischen Begriff béton brut  (roher Beton oder Sichtbeton) an. So hatte das Multitalent Le Corbusier seinen sichtbar belassenen Beton in Marseille an der Unité d`Habitation beschrieben. Das wiederum ist ein ganz besonderer Wohnkomplex, der sich im Norden der südfranzösischen Metropole Marseilles befindet, genauer in der Cité radieuse. Auch dieses Bauwerk ist einen Besuch wert, ich habe den Wohnkomplex einmal besichtigt und werde ein anderes Mal in meinem Blog darüber schreiben.

Spannend ist noch die Entstehungsgeschichte der Wotrubakirche. Eine großzügige Förderin des Baus war die Österreicherin Margarethe Ottilinger, ihre Lebensgeschichte war sehr bewegend und lohnt einer eigenen Recherche. Erbaut wurde die Kirche nach Entwürfen des österreichischen Bildhauers Fritz Wotruba zwischen 1974 und 1976. Wotruba wollte „etwas gestalten, das zeigt, dass Armut nicht hässlich sein muss, dass Entsagen in einer Umgebung sein kann, die trotz größter Einfachheit schön ist und auch glücklich macht.“ (https://www.virc.at/unit/virc/de/sehenswuerdigkeiten/standorte/article/90792.html) Ich finde, das ist ihm gelungen.

Stuttgart-Wien-und-mehr

von Alexandra Freund-Gobs 16. November 2025
Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var
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