Englischer Tee, Zacke und Downhill in Stuttgart
Alexandra Freund-Gobs • 24. September 2023
Teekultur, Aussichtspunkt, Sportbegeisterung
Als ich die Weißenburgstraße von Stuttgart-Mitte aus nach oben Richtung Olgastraße entlangschlendere, fällt mir linker Hand ein kleiner Laden auf. Ich blicke auf einen Tisch mit verzierten Porzellan-Etageren, Tässchen, bunten Dosen. „The English Tearoom“ ist eine bezaubernde Einladung an die englische Teekultur. Lynn Hazlewood steht strahlend hinter einem ihrer Tresen und berät einen Kunden. Sie hat gemeinsam mit ihrem Mann Christian die Liebe zur englischen Teetradition aus England nach Stuttgart mitgebracht. Den English Tearoom gibt es seit über zehn Jahren. Wir kommen schnell ins Gespräch über Shortbread und andere leckere Spezialitäten. Lynn gibt gerne Tipps, wer also Fragen zur Teekultur hat, kann gerne bei ihr vorbeischauen oder sie online kontaktieren. Wer sich an verschiedensten weißen, grünen oder Schwarztees, an Himbeer-Schokoladen- oder Ingwer-Apfelplätzchen und vielen anderen Sorten und an vielerlei Geschirr in zart-bunt-verspielten Mustern erfreuen kann, ist hier goldrichtig. Eine absolute Besonderheit ist, dass Interessierte auch Tee-Workshops und Tee-Seminare besuchen können. Hierfür ist die Teeliebhaberin Sabine Gullatz zuständig. Die Workshops finden immer sonntags statt und sind auch recht beliebt, so dass es eine Warteliste gibt. Ich nehme mir auf jeden Fall vor, mich hier bei nächster Gelegenheit anzumelden: https://www.the-english-tearoom.de/
Mit der Zacke und einem Königspudel zur Haigst, Stadtblick genießen
Heute möchte ich endlich auch mal mit der Zacke fahren. Stuttgarts von den Einheimischen liebevoll "Zacke" genannte Zahnradbahn fährt vom Marienplatz bis nach Degerloch. Der Weg ist steil und eröffnet, je weiter die sehr modern ausgestattete Bahn nach oben zuckelt, einen tollen Blick über Stuttgart bis in die Ferne. Neben mir sitzt eine junge Frau mit einer Schale Erdbeeren in der Hand. Auf der gegenüberliegenden Seite sitzt ein schwarzer und sehr großer Königspudel, das Frauchen befindet sich im Hintergrund. Fasziniert betrachte ich den Pudel. Am Kopf schaut er aus wie der Sänger Prince in den Zeiten, als er mit Afrolook auf die Bühne stand. Das Frauchen erzählt: "Die Frisur schere ich ihm immer selbst". Inzwischen hört der ganze Wagon zu: "Und das Fell ist fantastisch. Im Sommer kühlt es, im Winter wärmt es." Sie schwärmt noch eine Weile weiter. Der ganze Wagon grinst. Ich habe schon seit Jahrzehnten keinen Königspudel mehr gesehen. Heute sind ja eher Ridgeback, französische Bulldoggen und Labradoren 'in'. Auch die Frau mit den Erdbeeren hört zu, bis sie an der Haltestelle „Haigst“ aussteigt. Ich tue es ihr gleich. Direkt neben der Haltestelle befindet sich eine kleine Grünanlage. Parkbänke bieten eine gigantische Aussicht über die City. Die Plätze sind gut besetzt und heute nutzen vor allem viele junge Menschen die baumbeschattete Idylle. Die Erdbeerfrau setzt sich zu einer Freundin und lacht, als sie sieht, dass ich es ihr gleichgetan habe. Die Grünanlage auf dem Haigst wurde 1971 gestiftet vom Verschönerungsverein Stuttgart und gestaltet vom Gartenbauamt Stuttgart. Witzig ist eine Skulptur, die an die Osterinsel erinnert und ihr Gesicht der Stadt zuwendet. Die Moai-Skulptur wurde gestiftet vom Honorarkonsul von Chile Georg Kieferle, lese ich auf der Aufschrift.
Downhill: mit dem Fahrrad oder zu Fuß?
Ich steige wieder in die Zacke ein und bemerke diesmal, dass ein Anhänger vor der Bahn angebracht ist, der voller Fahrräder steht. Die Bahn ist auch voll von jungen Menschen mit Helm, Visier, Rückenprotektor und Knieschützern. Einen Reim kann ich mir noch nicht darauf machen. In Degerloch angekommen, nehmen die jungen Menschen ihre Fahrräder vom Anhänger und sausen an mir vorbei. Noch immer kapiere ich es nicht ganz. Deshalb frage ich einen Herrn meines Alters, der normal-behelmt auf sein Fahrrad steigt, was es mit der Gruppe auf sich hat. „Die fahret jetzt die Downhillstrecke“, erfahre ich von ihm. Die Strecke befindet sich unterhalb der Haltestelle Degerloch und führt linkerhand direkt in den Wald nach unten. Rechts daneben führt eine Treppe für Fußgänger zum Stuttgart-Rundwanderweg, man kann hier auch zum Marienplatz laufen. Der Herr erklärt mir, dass die Downhillstrecke nicht ohne ist. Er wohnt daneben und man hört, so berichtet er, des Öfteren den Krankenwagen in den Wald fahren. Ich stelle mich eine Weile neben den Startpunkt und schaue den jungen Leuten zu, wie sie sich voller Freude und mit rasender Geschwindigkeit auf den Weg bergab machen. Im Kopf behalte ich den Rundwanderweg, der steht jetzt auf einem meiner nächsten Besuche auf der Liste.
Stuttgart-Wien-und-mehr

Die Dämmerung breitet sich in der Umgebung aus und zu hören ist nur der beruhigende, blubbernde Motor unseres alten VW Käfers. Ansonsten hört man kein Geräusch. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach Neuschnee, alles scheint in Watte gepackt. Da wir uns aber mitten in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das unnatürlich. Normalerweise kündigen Vögel mit ihrem Abendgesang die Nacht an, hier ist es absolut still. Auch der Wind verursacht kein Blätterrauschen. Denn die Korkeichen am Straßenrand und auf den Hügeln um uns herum tragen kein einziges Blatt mehr, obwohl es erst September ist. Und die Baumstämme und Äste der Bäume sind kohlrabenschwarz. Es fühlt sich an, als würden wir durch eine Mad Max Kulisse fahren nach einer Apokalypse. Auch der Geruch ist nicht der nach frischem Wald. Zugetragen hat sich das im Jahr 1990. Wir waren als Studenten auf Tour und fröhlich gestimmt von der Route Napoleon abgefahren. Nun durchquerten wir zum ersten Mal das südfranzösische Maurengebirge in Richtung Côte d’Azur. Es war auch das erste Mal, dass wir die Auswirkungen eines verheerenden Waldbrandes gigantischen Ausmaßes unmittelbar erlebten, es sollte nicht das letzte Mal sein. Woher kommt der Name Massif des Maures? Das Gebirge befindet sich zwischen Hyères und Fréjus im Departement Var. Es erstreckt sich über eine Fläche von 135 000 Hektar und ist 60 km breit, über 130 km lang und bis zu 780 m hoch. Der Name der Gebirgskette, Massif des Maures (Maurengebirge), hat seinen Namen von der dunklen Farbe des Gesteins und seiner Bewaldung mit Kork- und Steineichen und ist wohl auf das okzitanische Wort maouro (schwarz) zurückzuführen. Der Name hat sich mit den Jahrhunderten immer wieder verändert: Montem Maurum, Maura, la Maura im Jahre 1529, las Mauras de Bormettas. Historiker und Linguisten vermuten, dass der Name „montagne noire“ (schwarzer Berg), zuerst im Singular als „la noire“ (der Schwarze) benutzt wurde (la Maura, in Latein und Provenzalisch) und später auch im Plural, da das Gebirge mehrere Gipfel aufweist. Zahlreiche markante Aussichtspunkte ermöglichen fantastische Ausblicke über die imposante Küste und kilometerweite Wälder im Landesinneren. Wer die Ruhe abseits der Touristenströme liebt und dem hippen Côte d’Azur-Lifestyle ab und zu den Rücken kehren möchte, ist hier goldrichtig. Man kann wandern und abgelegene Weingüter besichtigen, die, wie beispielsweise das Weingut Domaine Murennes, aufgrund schwerer Erreichbarkeit auch der Resistance einen Rückzugsort boten. Darüber schreibe ich aber ein anderes Mal. Mit der Waldbrandgefahr leben Auffällig im Massif de Maures sind allgegenwärtig Warn- und Verbotsschilder, die bei bestimmten Wetterlagen das Begehen der Wege verbieten, um damit die Gefahr von Waldbränden einzudämmen. Damit muss man rechnen und das ist auch gut so. Denn leider sind Waldbrände im Maurengebirge keine einmalige Katastrophe, sondern treten immer wieder auf. Sie gehen nicht immer glimpflich aus. Bei einigen der Brände starben Menschen. Bei allen Bränden sind Natur und Tiere betroffen. Die Korkeichen erholen sich meist wieder schnell, das gilt nicht für die ebenfalls ansässigen Schirmpinien, ganz zu schweige von den Tieren, die nicht schnell genug das Weite suchen können. Die Natur kann sich über mehrere Jahre hinweg regenerieren, die Landschaft wird aber eine andere sein. Und immer, wirklich immer, sind hunderte von Feuerwehrmännern bei den Waldbränden im Einsatz, um die Feuer zu bekämpfen, manchmal viele Tage lang und immer bis zur Erschöpfung und in der Hoffnung und mit Blick auf Wind und Wetter, ob sich das Schlimmste verhindern lässt. Warum schreibe ich darüber? Feuerwehrmänner: Helden auf Abruf Die Idee entstand diesen Sommer, als wir an einem wundervollen sonnigen Septembertag bei bestem Wetter oberhalb des Örtchens Bormes les Mimosas steil bergan durch den Korkeichenwald zur Chapelle Notre Dame de Constance wandern. Der Blick von oben ist herrlich. Nach einem etwa 30-minütigen Fußweg und mächtig durchgeschwitzt genießen wir den Ausblick über die Küste und die Inseln Iles d'Or und Iles du Levant von der Kapelle aus. Ein Stück weiter befindet sich eine Aussichtsplattform mit 360-Grad-Aussicht. Bei näherem Hinsehen fallen mir von weitem zwei Menschen in tieforangen Oberteilen auf, die auf der Plattform sitzen und sich unterhalten. Es sind Feuerwehrmänner, die hier Feuerwache halten. Für mich sind das zwei der Helden des Maurengebirges und ich möchte sie kennenlernen. Endlich zahlt sich für mich aus, dass ich seit etwa einem Jahr mein Schulfranzösisch mit einem Online-Kurs aufpoliere. Auffällig ist die Ruhe, die die beiden ausstrahlen. Das ist mir vertraut vom Kontakt zu Menschen, deren Arbeit darin besteht, in Ausnahmesituationen besonnen funktionieren zu müssen. Sehr entspannt und zugewandt gehen sie auf meine unperfekt auf Französisch formulierten Fragen ein. Oft treffe ich mittlerweile auf Französinnen und Franzosen, die lieber aufs Englische ausweichen, als Geduld für mein B1-Sprachniveau aufzubringen. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns über Urlaube mit dem Wohnmobil, der eine der beiden fährt ein Hymermobil und ist davon begeistert. Als wir ihm berichten, dass wir etwa 40 km entfernt vom Hymer-Stammsitz in Deutschland unsere Heimat haben, ist er begeistert: „Eh bien, le monde est petit.“ (Die Welt ist klein.) Unsere Gesprächsthemen streifen nur am Rande die großen Brände von 2021 und 2017, die hier noch allen in Erinnerung sind. Vielleicht ist das normal. Es ist auf jeden Fall verständlich: Die beiden Feuerwehrmänner müssen sich konzentriert fokussieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Jetzt plaudern sie, aber immer mit aufmerksamem Rund-um-Blick über die bewaldeten Hügel und immer mit halbem Ohr am Funkgerät, aus dem, begleitet von Knarzen und Rauschen, kurze Meldungen eingehen. Das ist der Moment, indem ich beschließe, den Blog über die Begegnung mit den beiden Feuerwehrmännern zu schreiben. Für mich sind sie stellvertretend für alle, die für die Sicherheit im Maurengebirge sorgen. Eine Präventionskampagne liefert nützliche Informationen für Touristen und Einheimischen: https://www.prevention-incendie-foret.com/ Konkrete Verhaltenstipps für Waldbesuche gibt es hier: https://www.prevention-incendie-foret.com/pratiques-a-risque/en-foret-interdiction-de-faire-feu Die Risikomeldungen werden zwischen Juni und September täglich aktualisiert: Zugangskarte zu den Waldgebieten des Var und Arbeitsvorschriften in den Waldgebieten des Var









